Der 16. Prozesstag – Das Recht auf Muttersprache

Am Montag, den 13. August hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg das Verfahren gegen den kurdischen Politiker und Aktivisten Ali Ihsan Kitay begonnen. Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft dem 47 jährigen Kurden vor, dass er als Kader der PKK in den Jahren 2007 und 2008 die Region Hamburg geleitet haben soll. Straftaten in Deutschland werden ihm wie auch weiteren 5 gemäß § 129 b StGB angeklagten Kurden nicht vorgeworfen. Das Verfahren ist bis Ende Dezember auf mehr als 30 Prozesstage terminiert.

Die Verteidigung stellte am 16. Prozesstage, Anfang der Woche, den Antrag auf Einbeziehung eines Sachgutachtens, in dem die Situation bezüglich der Nutzung kurdischer Muttersprache in der Türkei skizziert und analysiert wird. In der Antragsbegründung wurde deutlich, dass seit der Staatsgründung von sämtlichen Regierungen eine systematische Verleugnungs- und Assimilationspolitik gegenüber der kurdischen Bevölkerung betrieben wird. Zusicherungen bezüglich kultureller und weiterer Grundrechte aus dem Vertrag von Sevres (vor der Staatsgründung) wurden der kurdischen Bevölkerung in der Türkei mit dem Vertrag von Lausanne, aus dem Jahr 1923 entzogen. Die Nutzung der Muttersprache und weitere durch internationale Verträge gesicherte kulturelle Rechte werden demzufolge bis Heute verwehrt. Das widerspricht mehreren UN Verträgen (UN Zivilpakt und UN Sozialpakt) sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Das hat auch der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EMRG) in mehreren Urteilen festgestellt.

Die Forderung nach muttersprachlichem Unterricht z.b. wird in der Türkei behördlicherseits immer wieder als Unterstützung von Terrorismus gewertet, PolitikerInnen vielfach wegen der Nutzung der kurdischen Sprache oder der mehrsprachigen Umsetzung der Kommunalverwaltung kriminalisiert. U.a. Leyla Zana, der Bürgermeister der Metropole Diyabakir Osman Baydemir und der Bürgermeister von Sur, Abdullah Demirbas, wie hunderte weitere PolitikerInnen sind davon betroffen. Studierende, SchülerInnen und Eltern, die sich 2001 im Rahmen einer Kampagne für das Recht auf „Muttersprachlichen Unterricht“ eingesetzt hatten, wurden kriminalisiert, aus  den Lehranstalten suspendiert, inhaftiert und in vielen Fällen gefoltert. Einige der Betroffenen haben ein entsprechendes Verfahren vor dem EMRG gewonnen.
Die VerteidigerInnen Cornelia Ganten Lange und Carsten Gericke verdeutlichten die völkerrechtliche Grundlage und zitierten Kritik der UN, der EU, von Amnesty International, Human Rights Watch und weiteren Einzelpersonen und Organisation an den kontinuierlichen Völkerrechtsverletzungen des türkischen Staates, insbesondere in Bezug auf das Verbot der Nutzung der Muttersprache und kultureller Rechte. „Bis heute kann die kurdische Sprache u.a. nicht in der Schule, vor Gericht, im politischen Rahmen, gewerkschaftlich, in Moscheen sowie in der Verwaltung und weiteren Lebensbereichen gesprochen werden“, so die einmütige Kritik.

Das Bündnis Freiheit für Ali Ihsan fordert:

Freiheit für Ali Ihsan Kitay und alle politischen Gefangenen!

Solidarität mit den 763 seit 43 Tagen in türkischen Gefängnissen hungerstreikenden
Gefangenen!

Frieden in Kurdistan!

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