Der 17.-20. Prozesstag im § 129 b Verfahren gegen Ali Ihsan Kitay

Am Montag, den 13. August hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg das Verfahren gegen den kurdischen Politiker und Aktivisten Ali Ihsan Kitay begonnen. Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft dem 47 jährigen Kurden vor, dass er als Kader der PKK in den Jahren 2007 und 2008 die Region Hamburg geleitet haben soll. Straftaten in Deutschland werden ihm wie auch weiteren 5 gemäß § 129 b StGB angeklagten Kurden nicht vorgeworfen. Das Verfahren ist bis Ende Dezember auf mehr als 30 Prozesstage terminiert.

An den 17. -20. bis Prozesstagen wurde deutlich, dass die RichterInnen des OLG Hamburg lediglich bereit sind sich soweit auf eine rechtliche Abwägung des Konflikts einzulassen, um den es bei diesem Prozess geht, wie es unbedingt notwendig ist, um nicht juristisch und prozessual angreifbar zu sein. Die Diskussion über die völkerrechtliche Legitimität von Widerstand gegen anhaltende Menschenrechtsverletzungen sowie die Anhörung von Sachverständigen zu den Themen, Folter, Menschenrechte, Kulturelle Rechte und einer Hintergrundanalyse der Situation in der Türkei wird in diesem Rahmen versucht zu vermeiden. Als ein Teilerfolg der Verteidigung ist zu sehen, dass zumindest die in den Anträgen auf die Sachverständigen skizzierten Menschenrechts-Verletzungen, sowie die permanente Assimilations- und Vernichtungspolitik der türkischen Regierungen gegenüber der kurdischen Bevölkerungsgruppe teilweise im Prozess verlesen werden.

Zusätzlich führen die RichterInnen immer wieder große Mengen an Akten per Selbstleseverfahren ein. Die Prozessbeteiligten müssen diese Akten zwischen den Verhandlungstagen lesen, die dann ohne öffentliche Wiedergabe als im Prozess behandelt gelten. Dadurch wird sowohl das Recht auf Verteidigung als auch die Öffentlichkeit der Verhandlung eingeschränkt. Es entsteht aufgrund der Auswahl der selbst gelesenen und der im Prozess behandelten Inhalte ein verzerrter Eindruck.

Die BAW ist mittlerweile zu einer neuen Taktik übergegangen, nachdem sich das Konstrukt, die Freiheitsfalken TAK wären eine Unterorganisation der PKK, im Prozess als völlig unhaltbar erwiesen hat. Selbst der diesbezügliche „Experte“ des BKA musste eingestehen, dass es lediglich „Indizien gibt, die darauf hinweisen könnten, dass die TAK der PKK zugehörig sind.“ Die daraufhin vorgetragenen Indizien entstammten sämtlich nicht überprüften Informationen aus dem Internet und waren zum Teil sachlich falsch. Nun ist die BAW dazu übergegangen zu behaupten, dass die PKK die kurdische Bevölkerung nicht repräsentieren würde und deshalb im Prozess keine völkerrechtlichen Aspekte diskutiert werden müssten. Das geschieht offenbar im Bewusstsein, dass eine völkerrechtliche Abwägung das Vorurteil des Terrorismussees der PKK nicht bestätigen würde. Zur Begründung eines Antrags in dem es hieß, dass die PKK nicht die Mehrheit der kurdischen Bevölkerung repräsentiere, reiste für einen Verhandlungstag ein leitender Bundesanwalt an, der wenig sachkundig auf eigentlich für das Verfahren nicht relevante Aspekte des Völkerrechts hin argumentierte und vergeblich versuchte die VerteidigerInnen Ali Ihsan Kitays zu beleidigen und provozieren.

Der Antrag der BAW war inhaltlich falsch. Jede/r ExpertIn wird bestätigen, dass die Mehrheit der kurdischen Bevölkerung die PKK als ihre politische Vertretung und Schutz gegen noch gravierenderes Unrecht sieht. Die meisten Familien in den kurdischen Provinzen haben Verwandte bei der Guerilla oder solche die in der 30 jährigen Auseinandersetzung gestorben, inhaftiert und/oder gefoltert worden sind. Bei jedem Newrozfest skandieren seit Jahren mehrere Millionen Menschen „Das Volk ist die PKK und das Volk ist hier“. Zuletzt riefen dies Newroz 2012 allein in Diyarbakir (der größten kurdischen Metropole mit ca. 1.5 Millionen EinwohnerInnen) ca. 1 Million Menschen. Das mag der BAW nicht gefallen, entspricht aber der Realität. Diesbezüglich brachte die Verteidigung Ali Ihsan Kitay am 20. Prozesstag einen Antrag ein, demzufolge ein Sachverständiger skizzieren soll, wie die Mehrheitsverhältnisse in den kurdischen Provinzen des Landes und die politischen Ausrichtungen der bisher verbotenen kurdischen Parteien HEP, ÖZDEP, DEP, HADEP, DEHAP, DTP und der momentan mit 31 Abgeordneten im türkischen Parlament vertretenen BDP sind.

Ein weiterer Antrag der Verteidigung betrifft die völlig einseitige und auf Belastung orientierte Übersetzung durch einen Übersetzer des BKA mit türkischem Namen, der für die Mehrzahl der im Prozess verwendeten hunderten von Dokumenten verantwortlich war. Immer wieder hat dieser offensichtlich mit Absicht falsch übersetzt. Um nur die Spitze des Eisbergs zu nennen: 1. Der türkische Begriff „eylem“ heißt Aktion – der BKA Übersetzer hat diesen Begriff u.a. in Dokumenten der Guerilla der PKK (HPG) hunderte mal als Anschlag übersetzt. Offensichtlich um dem Terrorismusvorwurf gegen die PKK Nachdruck zu verleihen. Den Begriff Dynamik übersetzte der Mann mit „explosiver Energieentladung“. Viele weitere Beispiele wären aufzählbar. Die Verteidigung fordert die erneute Übersetzung der Dokumente, da das Gericht ansonsten aufgrund der Fehler zu einer falschen Einschätzung der Situation kommen muss.

Die Entscheidungen über die Anträge wurden, wie üblich, vertagt.

Es wird immer deutlicher, dass Ali Ihsan Kitay für seine Arbeit für die Menschenrechte und einen Friedensdialog in der Türkei politisch motiviert verurteilt werden soll.

Das Bündnis Freiheit für Ali Ihsan fordert:

Unsere Solidarität gegen ihre Repression!

Freiheit für Ali Ihsan Kitay und alle politischen Gefangenen!

Freiheit für Abdullah Öcalan – Frieden in Kurdistan!

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